05.07.2024, 13:09 Uhr

Energiepark Witznitz am Netz: Größter Solarpark Europas liefert Blindleistung und trägt zur Netzstabilität bei


© Move On Energy

Münster - Südlich von Leipzig ist jetzt die größte Photovoltaik-Freiflächenanlage Europas offiziell eingeweiht worden. Unter den zahlreichen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft war beim Festakt auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer.

Der Energiepark Witznitz hat eine Leistung von über 600 MWp und ist an das Übertragungsnetz des Übertragungsnetzbetreibers (ÜNB) 50Hertz angeschlossen. Es ist eine doppelte Premiere: Erstmals speist ein Solarkraftwerk direkt auf der Höchstspannungsebene Strom ein und erstmals trägt eine solche Anlage rund um die Uhr - also auch bei Dunkelheit - zur Netzstabilität bei.

Riesige Fläche: Energiepark Witznitz vom Weltall aus zu erkennen

Mit rund 1,1 Mio. Solarmodulen und einer Leistung von 650 MW auf 500 Hektar, was einer Fläche von rund 700 Fußballfeldern entspricht, handelt es sich beim Energiepark Wittnitz nicht nur um die bislang größte PV-Freiflächenanlage in Deutschland, sondern auch in Europa. Die Fläche ist so groß, dass die Reihen mit den sich im Sonnenlicht spiegelnden Modulen selbst auf den Satellitenbildern von Google Earth & Co. zu erkennen sind.

Geplant und gebaut wurde der riesige Solarpark von Move On Energy. Der regenerative Energiedienstleister übernimmt auch die Betriebsführung. Finanziert wurde das Vorzeigeprojekt vom Versicherungskonzern Signal Iduna und seiner Finanztochter Hansainvest Real Assets. Der offizielle Spatenstich erfolgte im Juni 2020.

Der Energiepark Witznitz wurde in den vergangenen zwei Jahren auf dem früheren Braunkohletagebaugebiet auf Flächen in den Gemeinden Neukieritzsch, Böhlen und Rötha am Hainer See errichtet. Am Rande der Flächen führt eine 380 kV-Freileitung entlang, die über das Umspannwerk Pulgar zum Braunkohlekraftwerk Lippendorf führt. An diese Freileitung wurde die PV-Anlage über ein von Move On Energy errichtetes neues Umspannwerk netztechnisch angebunden. Da der Energiepark in mehreren Bauabschnitten realisiert wurde, wird bereits seit Dezember vorigen Jahres Strom eingespeist. Die volle Leistung steht jedoch erst seit wenigen Wochen zur Verfügung.

Ministerpräsident Kretschmer würdigte bei der Einweihung die Bedeutung des Projekts für die gesamte Region und für die europäische Energiewende: „Wir sind mitten in der Transformation, weg von der Braunkohle, hin zu erneuerbaren Energien. Mit Signal Iduna, einem wirklich starken Partner, gelingen solche Investitionen. Wir wollen ein Industrieland bleiben und dafür brauchen wir die erneuerbaren Energien“, so Kretschmer bei der Eröffnung.

"Der Energiepark Witznitz ist ein weiterer Meilenstein der europäischen Energiewende. Witznitz ist ein leuchtendes Symbol der Entschlossenheit, eine nachhaltige Zukunft zu gestalten", ergänzt Steffen Montag, Geschäftsführer von Move On Energy.

"Witznitz ist nicht nur ein Beweis für unser gemeinsames Engagement und unsere Entschlossenheit, sondern auch für unsere Vision einer nachhaltigen und umweltfreundlichen Zukunft. Es ist uns gelungen, eines der ambitioniertesten Projekte der europäischen Energiewende zu realisieren - und das ohne staatliche Förderung“, kommentiert Martin Berger, Finanzvorstand der Signal Iduna Gruppe die erfolgreiche Inbetriebnahme.

Neben dem riesigen Solarkraftwerk entsteht durch eine großflächige Renaturierung des ehemaligen Braunkohletagebaus neuer Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Dafür wurden 160 Hektar Ausgleichsflächen geschaffen, mit Hecken entlang der Zaunanlagen, um das Gebiet möglichst naturnah zu gestalten. Zudem sollen 13 Kilometer lange Wander-, Rad- und Reitwege den Tourismus in der Region fördern. Darüber hinaus wird auf einer Fläche von fünf bis zehn Hektar eine landwirtschaftliche Parallelnutzung unterhalb der Solarmodultische erprobt.

Beitrag zur Netzstabilität: Wechselrichter können 24/7 Blindleistung liefern

Zusätzlich zu seiner Größe zeichnet sich der an das Übertragungsnetz von 50Hertz angeschlossene Energiepark Witznitz auch bei der Netzanbindung durch eine Besonderheit auf, da erstmals ein Solarkraftwerk direkt auf der Höchstspannungsebene Strom einspeist und erstmals rund um die Uhr, d.h. auch in den Nachtstunden, einen Beitrag zur Netzstabilität leistet. Auf der Basis eines Vertrages mit Move On Energy liefern die mit einer zusätzlichen Software ausgestatteten 3.500 Wechselrichter des PV-Parks sogenannte Blindleistung, die die Systemführung von 50Hertz bei Bedarf zur Spannungshaltung abrufen kann. Damit kann der Solarpark teilweise die Lieferung von Blindleistung aus dem benachbarten Braunkohlekraftwerk Lippendorf ersetzen. Diese Abrufe sind auch dann möglich, wenn die Wechselrichter der PV-Anlage keinen Gleich- in Wechselstrom wandeln und einspeisen. Der Energiepark Witznitz ist daher ein wichtiges Pilotvorhaben für 50Hertz, von dem weitere Projekte profitieren können.

Damit Strom beim Verbraucher ankommen kann, ist neben der eigentlichen Wirkleistung auch die sog. Blindleistung erforderlich. Sie fungiert als eine Art Schmiermittel für den Transport und muss in Abhängigkeit von regionalen Einspeise- und Entnahmesituationen auf einzelnen Netzabschnitten regulierend eingesetzt werden. Zu viel oder zu wenig Blindleistung wirkt sich destabilisierend auf die genormte Spannung aus. Bisher liefern die Generatoren von Großkraftwerken Blindleistung während der Stromerzeugung mit, sie kann aber auch von den Systemführungen der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) angefordert werden. Der Energiepark Witznitz wird zukünftig Blindleistung in einer Größenordnung von 150 Mvar bereitstellen und damit teilweise die Lieferung von Blindleistung aus dem benachbarten Braunkohlekraftwerk Lippendorf (2 x 400 Mvar) ersetzen. Diese Abrufe sind auch dann möglich, wenn die Wechselrichter der PV-Anlage keinen Gleich- in Wechselstrom wandeln und einspeisen. Stattdessen wird die in den Wechselrichtern verbaute Leistungselektronik mit Strom aus dem Übertragungsnetz gespeist, um die Blindleistung zu erzeugen.

Der Energiepark Witznitz ist daher ein wichtiges Pilotvorhaben für 50Hertz, von dem weitere Projekte profitieren können.

Quelle: IWR Online

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